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Interview „Literatur outdoors“

Walter Pobaschnig hat mich interviewt – für seine sehr interessante Website Literatur outdoors, auf der er Texte und Fotos rund um das Thema Kunst zur Verfügung stellt, wobei der Schwerpunkt nach meinem Eindruck auf der Literatur liegt. Bitte dem Link folgen!

Druckfahnen Roman

Heute schickte mir mein Lektor Stephan Herbst die Druckfahnen des Romans Ein Mythos von mir.

Damit ist für mich das Ziel einer langen – sehr langen! – Reise erreicht. Sie begann im Jahr 2012. Während eines Urlaubs im Hochtaunus kam mir der Gedanke, an einem solchen – auf den ersten Blick „ereignisarmen“ – Schauplatz eine ereignisreiche Geschichte anzusiedeln (für den Roman habe ich letztlich einen Handlungsort erfunden, der aber eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Taunus hat). Dazu gesellte sich rasch die Idee, dass die Hauptfigur ein, möglichst skurriler, Kursleiter in der Erwachsenenbildung sein sollte. Mich reizte es zudem, Stoff zu verwerten, den ich aus meiner eigenen, langjährigen Tätigkeit als Dozent für Deutsch als Fremdsprache destilliert hatte. Dieser „Stoff“ findet sich im Roman in einer auf die Figur zugeschnittenen, stark überspitzten Form wieder. Es möge nun niemand darauf verfallen, dass Deutschkurse tatsächlich so abliefen, wie im Roman beschrieben: Die entsprechenden Szenen sind realistisch und (wie ich hoffe) stimmig, sofern man sie auf die „Realität“ des Romans bezieht, nicht aber (wie ich ebenfalls hoffe) im Hinblick auf die Wirklichkeit außerhalb desselben.

Mittlerweile scheint mir übrigens, dass ich nicht nur einen philosophischen und satirischen Roman, sondern auch einen Ghosting-Roman geschrieben habe, obwohl ich das Wort bis vor kurzem nicht kannte und das entsprechende Phänomen auch nicht unbedingt für zeittypisch gehalten hätte. Regelrecht faszinierend finde ich, dass der Begriff offenbar exakt zu dem Zeitpunkt im deutschen Sprachraum aufgetaucht ist, zu dem ich mir die ersten Notizen zu meinem Roman machte (siehe Grafik). Beim Schreiben fühlte ich mich Lichtjahre vom Zeitgeist entfernt, aber, wie man sieht, war ich ihm womöglich näher, als ich glaubte. Und das ist nun wiederum interessant in Bezug auf ein anderes, zentrales Thema des Romans, nämlich die Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit des Einzelnen von der Gesellschaft …

Berchtoldvilla

Momentan „stecke“ ich (mit kul-ja-Lektor Stephan Herbst) so tief im Lektorat meines Romans „Ein Mythos von mir“, der im Frühjahr erscheinen soll, dass ich noch gar nicht dazu kam, eine erfreuliche Neuigkeit zu vermelden: Ich habe das kleine Stipendium der Berchtoldvilla in Salzburg erhalten. Dieses ermöglicht es einem, eine Zeitlang in der sogenannten Literaturmansarde zu arbeiten. Und sogar eine Lesung in der Berchtoldvilla ist bereits geplant, nämlich für den 26. September (die Veranstaltung werde ich hier zu einem passenderen – das heißt: späteren – Zeitpunkt noch einmal ankündigen). Ich freue mich schon sehr auf Salzburg und die Ausstellungen „Einblicke – Ausblicke“ (Karin Puchinger und Wolfgang Richter) bzw. „GlasFarbenSpiel retrospektiv“ (Gerlinde Hochmair), die während meines Aufenthalts gezeigt werden.

Vielen Dank übrigens an Kerstin Fischer für die Informationen zur „Literaturmansarde“!

Thüringer Buchtage

Am Samstag war ich in Erfurt, bei den Thüringer Buchtagen – vor allem um das Team von kul-ja publishing, wo mein „alter“ Roman erscheinen wird, einmal persönlich kennenzulernen. Das Gespräch am Stand habe ich als angeregt, anregend und heiter empfunden.

Mit Stephan Herbst und Bianca Katharina Mohr

Erfurt machte im Vergleich zum Rhein-Main-Gebiet einen sehr winterlichen Eindruck …

Akrostichon for peace

Der Text, auf den ich hier verlinke, beansprucht nicht, mehr als ein Wortspiel zu sein, eine Assoziationskette – vor einem allerdings ernsten Hintergrund.

Walter Pobaschnig betreibt die interessante Website Literatur outdoors. Gern bin ich seiner Einladung gefolgt, ein Akrostichon zu dem Satz „Give peace a chance“ zu schreiben, denn „dem Frieden eine Chance zu geben“, gelingt (Teilen) der Menschheit ja offenbar und schwerverständlicherweise immer nur für einige Jahre.

(Ein Akrostichon, auch Leistengedicht genannt, ist eine poetische Form, bei der in der Regel die Anfangsbuchstaben der Zeilen zusammengesetzt einen eigenen Sinn ergeben.)

Rückschau: Kellertheater

Im stimmungsvollen Gewölbekeller des Frankfurter Keller(!)theaters lasen gestern Viktor van Hynthersin, Ira Kulani, Peter Kapp, Martina Weyreter, Tessa Schwartz und ich – alles Autoren des trotz gewisser Zerfallserscheinungen immer noch existierenden Netzwerks Plan B. Zu hören waren satirische, ernste und makabere Texte (mit direktem oder indirektem Bezug zu dem vielfach deutbaren Thema „Sirenen“), musikalisch gerahmt von Florian Hauck mit selbstkomponierten, dynamischen Klavierstücken. Obwohl Sonntagabend ja nicht unbedingt eine Ausgehzeit ist, war die Veranstaltung doch vergleichsweise gut besucht (unerschrocken wie wir sind, haben wir einmal auch schon eine Lesung vor exakt null Zuhörern gehalten …).

Peter Kapp liest alte und neue Gedichte, u. a. aus dem Band Nach dem Börsengang.

Erinnerung: Plan-B-Lesung

Ich möchte an die „Plan-B“-Lesung am 13. November um 18 Uhr im Frankfurter Kellertheater erinnern. Weiteres: siehe meinen ersten Beitrag zu diesem Thema (bitte dem Link folgen).

Eine schöne Sache in Frankfurt ist der Literaturkalender (siehe Bild), der an Litfaßsäulen und in fast jeder U-Bahn-Station plakatiert wird. Insofern dürfen wir berechtigterweise auf einige Zuhörer hoffen … Allerdings stehen wir, wie man sieht, in scharfer Konkurrenz 🙂 mit Susanne Konrad (ebenfalls Plan-B-Mitglied), Ewart Reder (Schriftsteller und Redakteur der Literatursendung WortWellen) u. a. … Mein Vorschlag: Morgens zum BBK und abends ins Kellertheater …

Ventspils-„Finale“

Am Donnerstag und Freitag fand hier, im Internationalen Schriftsteller- und Übersetzerhaus, eine Veranstaltung mit Studentinnen (ja, es waren tatsächlich nur Frauen) der Universität Liepaja statt, die dort einen Master in „Writing Studies“ machen. Ich habe drei kurze, eher lyrische Texte vorgetragen (und auf Englisch ein paar Worte zum Inhalt gesagt) und mit den Anwesenden über die Frage gesprochen, wie es gelingen könnte, als „Vollzeit-Autor“ zu leben. Dazu hatte ich vor dem Hintergrund eigener, teils durchaus schmerzlicher Erfahrungen einiges zu sagen. Die Studentinnen schien das Thema ebenfalls zu interessieren: Die Diskussion war sehr lebhaft. Und mein lausiges Englisch hat mich dabei kaum behindert …

Für mich war dieses Seminar – fast – schon das Finale meines Aufenthalts hier. Mittlerweile habe ich das Gefühl, auf meinen Abreisetag Ende nächster Woche zuzurollen – noch langsam, aber mit zunehmender Geschwindigkeit …

Siehe auch den (älteren) Beitrag Lettland/Latvija.

Und wo mein Haus? – Peter Kurzeck

Vor wenigen Wochen erschien „Und wo mein Haus?“, der achte Band von Peter Kurzecks autobiografischer Romanfolge „Das alte Jahrhundert“. Zu Lebzeiten des 2013 verstorbenen Autors wurden davon fünf Bände publiziert, posthum bisher drei (diesen eingeschlossen).

„Und wo mein Haus?“ zerfällt in zwei Teile: 100 Seiten zusammenhängender Text und 60 Seiten „Notizen und Dokumente“. Das Buch ist also kein Roman im üblichen Sinne, sondern – ebenso wie die anderen Nachlass-Bände – ein Romanfragment, das in dieser Form nicht für die Veröffentlichung bestimmt war.

Insofern hat es mich überrascht, dass Teil 1 „ein austrainierter Kurzeck“ ist – die Überraschung mag indes auch damit zu tun haben, dass ich Band 6 und 7 noch nicht kenne; möglicherweise ist der Text dort ähnlich durchgearbeitet. Ja, dieser erste Teil scheint publikationsreif gewesen zu sein, auch wenn er vielleicht nicht ganz den Schliff von Meisterwerken wie „Übers Eis“ oder „Oktober“ hat und die Qualität zum Ende hin leicht abfällt: Der Text wirkt hier stellenweise etwas wirr und eine gewisse Redundanz ist zu beobachten.

Das „Und wo mein Haus?“-Manuskript gehörte ursprünglich zu dem 1000-Seiter „Vorabend“. Daher ist die Rahmenhandlung dieselbe: Der Ich-Erzähler (laut Selbstaussagen Kurzecks identisch mit ihm, dem Autor) ist mit Freundin und Tochter zu Besuch in Frankfurt-Eschersheim, bei seinem Freund Jürgen und dessen Lebensgefährtin. Obwohl er sich eigentlich ausruhen möchte, gerät er in einen regelrechten Erzählrausch. – Dieser Rahmen spielt allerdings in „Und wo mein Haus?“ keine wesentliche Rolle und ist kaum erkennbar: im Grunde nur für den, der „Vorabend“ bereits gelesen hat.

Auf der obersten Ebene der Binnenhandlung geschieht, typisch für Kurzeck, eigentlich recht wenig: Der Erzähler fährt mit dem Zug von Frankfurt nach Gießen. – Das klingt langweilig, ist es aber nicht, denn die Fahrt und insbesondere der Gießener Bahnhof lösen ein wahres Feuerwerk an Erinnerungen aus.

„Während ich schreibe, ist immer jetzt“, heißt es auf der ebenfalls erst nach dem Tod des Autors veröffentlichten Hör-CD „Für immer“. Das glaubt man ihm aufs Wort, denn eine besondere Stärke seiner Prosa ist, wie es ihr gelingt, Simultanität zu erzeugen. Fast mehr noch als in anderen Werken verschmilzt Kurzeck in „Und wo mein Haus?“ Zeiten und Räume, vor allem im ersten Abschnitt des zusammenhängenden Textes, in dem es um das schwierige, doch (aus Sicht des Kindes) abenteuerliche Nachkriegsleben geht – mit Vater, Mutter und Schwester in Staufenberg (bei Gießen), wo die Familie nach der Flucht aus Böhmen untergekommen war: „Mein Vater mischt Tabak in eine große amerikanische Tabakbüchse aus glänzendem rotem Lack. Und das viele Wild, sagt er. […] Und gleich sehe ich einen großen dämmrigen Wald, aber dann ist es doch nur ein böhmischer Wandteppich, der bei meiner Tante Resi in Kelkheim im Taunus über einem Küchensofa hängt. […] Auf dem Teppich ein Hirsch. Hat sich aufgestellt, um zu brüllen. […] Im Wald hell das Morgenlicht. […] Und immer mehr Sonne auf meinem Weg. Ich sah mich davongehen, sagte ich. […] Und wie ich im Gehen groß werde und erwachsen. Sagte ich in Eschersheim. Und muß mir immer noch nachsehen. Und dann bin ich wieder fünf Jahre alt. […] Bei uns am Küchentisch“ (S. 39/40).

Ein zweiter wichtiger Teil des Erinnerungsgeflechts ist die Arbeitswelt der Gießener Labor Service Companies (zivile Arbeitseinheiten der US-Army), wo Kurzeck selbst zehn Jahre tätig war. Der Erzähler interessiert sich vor allem für das Schicksal der dort beschäftigten „Displaced Persons“ aus Osteuropa, die unmittelbar nach dem Krieg einen relativ hohen Sozialstatus hatten, diesen aber schon bald wieder einbüßten: „Hiwis, Hilfsamis, Amipolacken, sagen die Leute. Erst mit Neid, mit Bewunderung, dann gleichgültig, dann geringschätzig“ (S. 66).

Ein paar Jahrzehnte nach dem Krieg sind einige von ihnen noch immer bei der Army, werden zwar als Arbeitskräfte nicht mehr gebraucht, aber auch nicht entlassen. Sie sind nun „überzählig“ und werden mit absurden Verrichtungen wie ständigem Fahnenmasten-Anstreichen beauftragt.

Kurzeck, der ohnehin in allen seinen Büchern auch ein Satiriker ist, erweist sich insbesondere in diesem Abschnitt von „Und wo mein Haus?“ als großer Humorist oder, richtiger: Tragikomiker. „Ein kleiner Bach. […] Erst denkt man, das ist ja die Wieseck, aber dann ist es doch nur ein Nebenflüßchen der Wieseck. Das könnt ihr auch bewachen. Könnt auf der Böschung sitzen. Da ist es still. Nicht reinkacken. Keine leeren Flaschen ins Wasser schmeißen. […] Beim Salutieren die Zigarette aus dem Mund und nicht aus der Flasche trinken. Nicht gleichzeitig! Wache stehen, aber daß es nicht so auffällt“ (S. 95).

Die „Notizen und Dokumente“ – die letzten 60 Seiten des Buches – sind naturgemäß etwas mühsam zu lesen. Andererseits ist es interessant zu sehen, wie der Autor sich zum fertigen Text hingearbeitet hat. Und man findet in diesem Teil brillante Prosastücke, die auch ganz ohne den Romanzusammenhang auskämen, etwa: „u-bahn. alle mit geputzten schuhen. Staatsbürgergesichter. in hundert od. zweihundert jahren. dann tot, sagten jürgen und sibylle. vielleicht, sagte ich“ (S. 148).

Abschließend möchte ich die (rhetorische) Frage stellen, ob ein Perfektionist wie Kurzeck, der in seinen autobiografischen Texten davon berichtet, „jede Seite zwanzigmal“ abgetippt zu haben, überhaupt mit der Veröffentlichung von Unfertigem einverstanden gewesen wäre. Doch könnten diese Frage selbstverständlich nur Menschen beantworten, die ihn persönlich kannten. Für die Leser ist die Publikation eines solchen Buches in jedem Fall ein Gewinn, speziell für die wachsende Zahl der Kurzeck-Enthusiasten.

Allerdings ist „Und wo mein Haus?“ vermutlich weniger gut geeignet als Einstieg in Kurzecks Werk. – Ich persönlich würde zum Kennenlernen „Oktober“ empfehlen. Kurzeck-Neulingen möchte ich zudem den generellen Ratschlag geben, am Anfang etwas Geduld zu haben: Obwohl seine Bücher (zumindest die Bände des „alten Jahrhunderts“) eigentlich leicht zu lesen sind, braucht es doch ein wenig Zeit, um sich an die Sprache des Autors und seinen eigentümlichen Blick auf die Welt zu gewöhnen. Dann aber kann die Lektüre seiner Romane eine sehr tiefgreifende und sogar lebensverändernde Erfahrung sein.

Quellennachweis: Peter Kurzeck, Und wo mein Haus?, Kde domov muj (Das alte Jahrhundert 8), Frankfurt am Main 2022.

Nachtrag: Am 4.10.22 stellt übrigens Rudi Deuble – der langjährige Lektor Kurzecks und Herausgeber der Nachlassbände – „Und wo mein Haus?“ im „Hessischen Literaturform im Mousonturm“ vor. (Ich bin zurzeit in Lettland und werde diese Veranstaltung daher leider nicht besuchen können.)

Ventspils-Notizen

Neben der Arbeit an meinem aktuellen Roman versuche ich mir immer auch ein bisschen etwas zu dem Schauplatz zu notieren, an dem ich mich im realen Leben momentan aufhalte. Könnte ja sein, dass ich irgendwann einmal ein Ventspils-Buch schreibe. Reizvoll wäre es. – Siehe auch: Ventspils.

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